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Irgendwo
am östlichen Ende der (EU-)Welt liegt ein kleines, verlassenes
Dorf mit einer Handvoll Einwohner. In diesem Dorf steht ein altes
Haus, umgeben von Feldern, Wiesen, Wäldern, kleinen Flüssen
und Fischteichen (Foto links), auf bzw. in denen noch so manch eine
mehr oder weniger seltene Tierart lebt. So auch viele Vögel,
unter denen der Weissstroch natürlich die auffälligste
Art ist. "Natürlich", denn in Polen leben und brüten
mit ca. 41.000 Paaren mit Abstand die meisten Ciconia
ciconia - Verterter weltweit (zum Vergleich - in Deutschland
sind es ca. 4.100, in Frankreich 315, in Russland 8.400, in der
Ukraine 17.500 und in Spanien ca. 17.000 - s. mehr >> hier).
Auf dem Scheunendach des inzwischen verlassenen Nachbarhofs hatte
noch bis vor wenigen Jahren ein Weissstorchpaar
sein Nest , das in letzter Zeit leider leer bleibt. Sind sie bei
ihrem langen Flug
nach/von Africa irgendwo auf der Strecke geblieben? Keiner weiss
es, hoffentlich wird sich irgendwann mal ein neues junges Paar dort
wieder "einnisten". Da gleich neben dem Haus eine feuchte
Wiese liegt, kann dort trotzdem öfter ein "fremder"
Weissstroch beobachtet werden (Foto rechts). Einige Hundert Meter
weiter, auf ausgedehnten Feuchtwiesen hinter einem kleinen Wäldchen,
tummeln sie sich gleich haufenweise, immer wieder ein Graureiher
dazwischen (Foto 3), auf der Suche nach Fröschen,
Mäusen, Schlangen, Eidechsen oder Regenwürmern . Störche
haben kaum natürliche Feinde und für die Menschen sind
sie überall, so auch in Polen, ein Symbol für Glück,
Fruchbarkeit und Freiheit, deshalb ist der Schutz dieses schönen
Vogels selbstverständlich. Ausserdem gibt es Gesetze, die z.B.
das Entfernen oder Zerstören von Weisstrochnestern grundsätzlich
(bis auf absolute Ausnahmefälle)
verbieten.
Aber nicht nur der gesellige Weissstorch sondern auch der menschenscheue
und viel seltenere Schwarzstorch
ist hier, meistens nur vom Weiten, immer wieder zu sehen. Als ich
ihn zum ersten Mal am Himmel sah, war ich ganz begeistert und wollte
meinen Augen nicht trauen. Leider war meine Digitalkammera zu dieser
Zeit zur Reparatur, ein Foto konnte ich nicht schiessen (alle Bilder
von dieser Seite stammen vom Mai 2003 oder vom Sommer 2004) . In
den nächsten Tagen habe ich ihn noch ein paar Mal gesehen,
mal in Gesellschaft der Weissstörche, mal alleine auf der Wiese
oder beim Vorbeifliegen. Aber kaum, dass er einen Menschen sieht,
ist er schon weg. Ihn zu beobachten ist daher eine Frage der Zeit,
Geduld und guter Vorbereitung. Davon hatten wir in diesem Mai leider
nicht genug, zumal uns eine andere Art (s. weiter unten) total gefesselt
hat. Für das Jahr 2005 habe ich mir vorgenommen, diesen schönen
und scheuen Vogel mit dem lateinischen Namen Ciconia
nigra (polnisch: "Czarny Bocian") dort genauer zu
"erforschen".
Welche war denn die geheimnisvolle Art, die uns
jeden Tag morgens und abends in die Wälder und Teiche trieb
und trotzdem unseren Augen verborgen blieb. Aber nur den Augen,
denn Hören konnten wir diesen Vogel schon vom Weiten. Als wir,
ich und mein Sohn Roman, gleich am ersten Tag in die "Natur"
gingen, um den Biber
zu suchen, hörten wir auf einmal einen Laut - so etwas wie
ein Nebelhorn - der uns zunächst vor Schreck erstarren liess.
Was war denn das? - schauten wir uns fragend an. Soll das der Biber
sein? "Wahrscheinlich", sagte Roman, wenig überzeugt.
Wir wurden neugierig und wollten es genau
wissen. Ich packe mein Fernglas und mein Spektiv aus, Roman hält
ein zweites Fernrohr in der Hand. "Uwuump" - kommt es
nochmal, von links. Wir laufen zur linken Seite des relativ kleinen,
aber dicht mit Schilf bewachsenen und schwer zugänglichen Teiches
(Foto) und versuchen vergeblich, irgendetwas im Schilf zu erkennen.
2 Minuten später kommt der selbe Laut nochmal, diesmal von
rechts. Also laufen wir leise und vorsichtig, zurück zur anderen
Seite. "Uwuump" - kommt es wieder von links. "Nun
ist es aber gut" - sage ich, "wir bleiben in der Mitte".
Noch ein "Uwuump" und dann noch eins. Aber nichts ist
zu sehen, auch nicht mit Fernglas und mit unserem Super-Spektiv.
Inzwischen wird es finster, wir müssen wieder "heim",
es ist Zeit für unser tägliches "Lagerfeuerchen"
(Foto). Nächsten Morgen
sind wir wieder zur Stelle. Und auch abends. Und so an jedem Tag,
die ganze Woche lang. Aber von dem "Uwuump"-Wesen ist
nichts zu sehen, auch wenn wir auf Bäume klettern und versuchen,
von oben in das Teichgebiet "hineinzusehen".
Inzwischen haben wir mit einem anderen, kleinen und lauten Vogel
Freundschaft geschlossen, der gar nicht daran denkt, sich vor uns
zu verstecken. Ganz im Gegenteil. Meistens sitzt er ganz oben auf
einem Baum in der Mitte des Teiches und trillert immer wieder dieselbe
Melodie, die mir seitdem nicht mehr aus dem Kopf geht: "karre-karre-karre-kiet-kiet-kiet
drü-drü-drü dore dore dore tsiep-tsiep-tsiep ..."
Es ist der Drosselrohrsänger,
der seitdem einer meiner Lieblingsvögel geworden ist.
Am dritten Tag erfahre ich von einer naturinteressierten
Einheimischen den polnischen Namen unseres "Uwuump"- Vogels.
Wie heisst er aber auf deutsch? Ich habe zwar einen Vogelführer,
weiss aber nicht wonach ich suchen soll. Also muss ein Vogelbuch
auf polnisch her. Ich kaufe mir eins in der nächsten Kleinstadt
und lüfte (über den wissenschaftlichen Namen) das Geheimnis
- es ist die Rohrdommel,
auf polnisch kurz und knapp: Bak
genannt (das "a" hat eigentlich noch ein "Häckchen"
also wird der Name wie "Bonk" ausgesprochen). Die freundliche
Frau aus dem Dorf erzählt mir noch
mit leuchtenden Augen, dass hier in den zahlreichen Teichen (Foto)
ebenfalls die
Europäische Sumpfschildkröte (Emys orbicularis) vorkommt.
Ich zeige mich zwar ganz interessiert, kann aber die Bedeutung dieser
Information nicht einschätzen. Bin ja erst bei den Vögeln
ein blutiger Anfänger, was soll ich schon mit Schildkröten
anfangen?
Eines Tages, als wir wieder unserem "Bak" auflauern, schwenke
ich mein Fernglas Richtung Wald und schau, ob es dort vielleicht
auch etwas Interessantes zu sehen gibt. Ich sehe aber eine Zeit
lang nur Bäume. Auf einmal fliegen mir zwei bunte, schwarz-gelbe
Vögel "ins Bild". "Was ist denn das?" -
frage ich mich ganz erregt und greife zum Vogelführer. Es ist
ein Pirol-Pärchen,
polnisch: Wilga. Klar den Namen kenne ich doch schon immer
aber, dass der Vogel so aussieht, war mir nicht (oder vielleicht
bloss nicht mehr) bewusst.
Im Verlauf der Woche sehen wir in Robun und Umgebung
noch viele weitere Vögel, wie z.B.: Teichrohrsänger, Kiebitz,
Kernbeisser, Stieglitz, Neuntöter,
Fasan, Waldlaubsänger, Grünfink, Feldlerche, Haubentaucher,
Kornweihe, Mäusebussard u.a.
Im Früjahr 2005 werden wir wieder dort sein,
diesmal ausgestattet mit guter Digitalkamera und viel Geduld für
die unblutige "Jagd" nach dem "Bak", "Czarny
Bocian" und Co.
Ach so, den Biber, von dem wir an "seinem" Fluss (Foto)
nur Spuren gesehen haben, müssen wir auch noch finden.
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